die Sommer 2007 und 2008 waren fuer einige Motorradfahrer die schwaerzesten seit Langem. Nein, nicht der Verlust von Freunden oder koerperliche Versehrtheit waren zu beklagen, man nahm ihnen das Krad. In einem bis dato nicht dagewesenen Akt von „Gefahrenabwehr“, wie man die voruebergehende Enteignung verniedlichte, stellte die Polizei an den beliebten Motorradtreffs „Sudelfeld“ bei Rosenheim und am „Kesselberg“ Fahrzeuge sicher, deren Fahrer durch ordnungswidrige Geschwindigkeitsuebertretungen auf sich aufmerksam machten.
Wir sprechen nicht von Manipulationen am Krad, die ein Erloeschen der Betriebserlaubnis nach sich gezogen haette, es geht auch nicht um Fahrzeuge die nicht mehr verkehrssicher gewesen waeren, die Kraeder wurden sichergestellt nach dem Polizeiaufgabengesetz zur Gefahrenabwehr. Wer die erlaubte Hoechstgeschwindigkeit ueberschitt durfte damit rechnen, dass sein Kraftrad fuer ein paar Tage in den Gewahrsam des Staates ueberging, natuerlich zu finanziellen Lasten des Fahrers/Halters. Das hat sich ein Rechtsanwalt aus Muenchen nicht gefallen lassen und zog vor Gericht. Im ersten Anlauf erhielt er leider nicht Recht und die Medien und die Polizei von Oberbayern feierten sich als Sieger. Dieser Willkuerakt der Sicherstellung durfte aber nicht sein und so gelang es dem Paragraphenreiter ((sein Nickname)) vor dem Verwaltungsgerichtshof die Sache erneut verhandeln zu lassen. Mit Erfolg.
Nachdem wir die erste Instanz am 12.03.2007 verloren hatten, und das durch alle Medien breitgetreten wurde, hab ich mich richtig für unser Rechtssystem geschämt.
Es wurde auf vielen Internetseite und in Zeitungen ausführlich die Rechtmäßigkeit der Sicherstellungen behauptet, ohne auf die Möglichkeit hinzuweisen, daß gegen das Urteil Berufung eingelegt werden konnte, es deshalb nicht rechtskräftig war.
Beispielsweise hat die Regierung von Oberbayern vor dem erstinstanzlichen Urteil vom 12.03.2008 auf ihrer Internetseite eine Pressemitteilung „PM 504 vom 30.11.2007“ folgendes veröffentlicht:
„………
Obwohl einige, von der Sicherstellung betroffene Motorradfahrer die Rechtmäßigkeit der überzogen empfundenen Maßnahme anzweifeln, wird die Polizei in Oberbayern weiterhin konsequent unter Ausschöpfung aller rechtlich zulässigen Möglichkeiten gegen solche Verkehrsverstöße vorgehen. Hier gilt der Grundsatz, dass individuelle Freiheit spätestens dort endet, wo Gefahren für andere entstehen. Als „ultima ratio“ ist zur Gefahrenabwehr auch eine fallweise Präventivsicherstellung möglich.
Die Maßnahmen von Regierung und Polizei Oberbayerns richten sich gegen Raser, die durch extrem riskante Fahrweise nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das anderer Verkehrsteilnehmer gefährden.“Die Polizei Bayern veröffentlichte auf ihrer Internetseite „www.poliei.bayern.de“ am 19. 05. 2008 unter anderem folgendes:
„…….
„Polizeidirektor Franz Metzger, Chef der Polizeidirektion Rosenheim, meint dazu:„Die Polizei war aufgrund der sehr negativen Entwicklung im ersten Halbjahr 2007 gezwungen, konsequent mit massiven Geschwindigkeitskontrollen gegen unverbesserliche Raser vorzugehen. Diese Maßnahme wurde von der großen Mehrheit der sich verkehrsgerecht verhaltenden Biker auch begrüßt. Sie befürchteten durchaus zurecht, dass das unverantwortliche Verhalten einiger weniger Raser zu einer Sperrung dieser reizvollen Motorradstrecke führen kann. Der Erfolg der verschärften Kontrollen gibt uns recht. Die Unfälle reduzierten sich drastisch und es gab seit dieser Zeit keinen Unfalltoten mehr auf der Sudelfeldstrecke in Verbindung mit Motorradfahrern. Bestätigt wurde die Rechtmäßigkeit der vorübergehenden Sicherstellung der Motorräder durch ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtes in München. “
Ein Motorradfahrer hatte gegen diese Maßnahme geklagt. Das Verwaltungsgericht fand die Vorgehensweise der Polizei für richtig und die Klage wurde abgewiesen.
…..“Das deprimierte auch mich. Wer ärgert sich nicht, einen Prozeß zu verlieren, auch wenn er nichts dafür kann.
Ein Kläger wollte wegen des ersten Urteils auch nicht weiter prozessieren und die jetzt in einem Fall ergangene Berufungsentscheidung abwarten. Ist verständlich, nicht jeder möchte jahrelang kämpfen. Viele resignieren und lassen sich zuviel gefallen.
Man braucht leider ein dickes Fell, Ausdauer und Durchsetzungsvermögen, um zu seinem Recht zu kommen.
Übrigens: Das für die Exekutive negative Berufungsurteil ist bisher in den Medien nicht erwähnt worden. Hier ist noch Aufklärungsarbeit zu leisten. Sonst glauben manche noch weiter an die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung.
Mein Vertrauen in den Rechtstaat ist ein klein wenig gewachsen, nicht uebermaessig aber ein wenig schon. Es kann und darf nicht sein, dass sich die Polizei irgendwelche Massnahmen ausdenkt, diese ohne Rechtssicherheit durchfuehrt und mit der Massnahme so weit ueber das Ziel hinausschiesst, dass man unwillkuerlich an „Rechtsbeugung“ denkt. Es ist immer das geringste und geeignetse Mittel zu waehlen um eine unmittelbare Gefahr abzuwehren. Dieses Mittel kann bei einer Geschwindigkeitsuebertretung nicht die Sicherstellung von einem „Tatwerkzeug“ ((so nannte man die Kraeder im Sommer in den Berichten ja gerne)) sein, das man sicherstellt und nach 2 Tagen wieder herausgibt. Das Gericht schloss sich der Argumentation des Rechtsanwaltes wohl an, wenn es erkannte, dass „Gefaehrdung“ sehr subjektiv ist. Ich zum Beispiel fuehle mich sehr stark gefaehrdet wenn ein Opa mit Hut ueber die Strassen faehrt, dessen Blinker zuletzt vor knapp 2 Jahren fuer den Pruefer bei der HU leuchteten. Sieht kaum was, starrt stur geradeaus und hat immer Recht weil er ja „seit 60 Jahren unfallfrei“ gefahren ist. Hier sehe ich jedoch keine Horden von Schupos auf der Strasse die Reihenweise PKW sicherstellen und den Fahrer/die Fahrerin auf eigene Kosten die Heimreise antreten lassen, egal wie weit das weg ist oder wie diese das finanzieren sollen.
Der Verwaltungsgerichtshof im München ( 2. Instanz) hat das „Sicherstellungsurteil“ des VG München (1. Instanz) vom 12.03.2008 nach meiner Berufungseinlegung aufgehoben.
Begründung (u.a.): eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 44 km/h alleine stellt keine konkrete Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Die Sicherstellung erfolgte ohne Rechtsgrundlage und war deshalb rechtswidrig.
Mein aufrichtiges Beileid an unsere verehrten grünen Mitleser. Aber wir leben halt in einem Rechtsstaat. Da dürfen polizeiliche Maßnahmen gerichtlich kontolliert werden.
Das Urteil stellt aber keinen Freibrief zum Rasen dar. Es bleibt das Bußgeldverfahren, Punkte, Fahrverbot, MPU……..
Ich hoffe bald das Urteil im Volltext lesen zu koennen ((10 BV 08.1422.)) um mich an den Begruendungen zu erwaermen. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes ist uebrigens nicht zur Revision zugelassen, einzig eine Nichtzulassungsbeschwerde ((ohne grosse Erfolgsaussicht)) waere noch denkbar.
Nachtrag: Gerade finde ich ein Interview bei der MO zum Thema „Sicherstellungen nicht rechtmaessig“, das ich gerne verlinke.
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